Werke 1992 – 2001

Bemerkenswert bei den Bildern Gerken-Grieshabers ist die Spannung aufgrund der Widersprüche, die ihnen zugrunde liegen. Im Gegensatz zu früheren Bleistiftzeichnungen arbeitet sie jetzt mit Kohle und direkt auf das Papier gegebene Acrylfarbe unmittelbar aus der Flasche. Dabei entstehen feine Fäden in schwungvoller Bewegung, die die figürlichen Teile wie mit dem Stift gezeichnet erscheinen lassen. Zum Teil werden die Farben auch mit einem Kartonstück in breite Bahnen gezogen: Zeichnung und Malerei gehen eine spannungsvolle Geschlossenheit ein: figurale Zeichnungen von expressiver Kraft. Die Reduktion auf das Gestische dient Helga Gerken-Grieshaber als Konzentration und Befreiung zum Wesentlichen. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist das sich Vergewissern der eigenen Existenz, der Blick in den Spiegel, um Entwicklungen und dem Dasein auf die Spur zu kommen. „Auch wenn es sich bei diesen Bildern nicht um Selbstbildnisse im engeren Sinne handelt, erinnert die Unerbittlichkeit des sich Vergewisserns an die obsessive Konsequenz, mit der Künstler wie Rembrandt oder van Gogh immer wieder in den Spiegel blickten, um reflektierend dem Wesen und Wandel Ihres Daseins auf die Spur zu kommen.“ (Dr. Hans Gercke)

„Ihre anmutigenden Kombinationen von Acrylfarben und Kreide — auch „Lust- und Frustbilder“ genannt — zeigen zudem ein tiefes Verständnis für das Leben, für den Mensch und sein soziales Umfeld. Denn nur so erfüllt die Kunst ihren Sinn — nicht nur gefällig zu sein, sondern auch hinzuführen zum Wesen der Dinge, Verständnis weckend für Geist und Gefühl. Die Bilder brauchen Raum: bewusst zieht die Künstlerin das weiße Papier in die Gestaltung der Zeichnung mit ein. Dadurch bekommt das Blau etwas strahlendes, wirkt das Rot nicht blutig, das Schwarz nicht erdrückend. Spielerisch lässt Helga Gerken-Grieshaber die aus dem Farbmassiv gezogenen Linien das Weite suchen. Die zarten Ergänzungen in Kreide verraten die Meisterhand.“ (Marga Kohr)

Das Weiß des Blattes ist nicht mehr nur Bildträger, sondern auch konstituierender Licht-Raum, in dem sich Energie materialisiert, leibhaftig, greifbar, erotisch — und doch nicht eigentlich fassbar. Wirklichkeit wird als das artikuliert, was sie tatsächlich ist: Präsenz des Augenblicks. „Verschwunden ist alles, was artistischer Selbstzweck sein könnte, doch geblieben ist die unglaubliche Virtuosität, die Helga Gerken-Grieshaber im Umgang mit den künstlerischen Mitteln an den Tag legt. Dass diese Mittel vor allen anderen die der Zeichnung sind, kann nicht verwundern: Die Zeichnung, der unmittelbare Niederschlag körperlicher Bewegung, gestischer Expression, ist die wohl elementarste Form künstlerischer Mitteilung überhaupt.“ (Dr. Hans Gercke)

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